Was man in Lorsch aus Maismehl, Butter, Anis und Rosinen macht
Nirgendwo auf der Welt ist die Auswahl an Brotsorten so groß und abwechslungsreich wie in Deutschland. Schon die Alemannen erhoben den Bäcker zum Beruf und Kaiser Karl der Große erließ die erste Brotverordnung. Aus deutschen Backstuben kommen heute 350 verschiedene Brotsorten. Es könnten auch 351 sein, denn es ist nicht bekannt, dass ein offizieller Testesser „die Lorscher Brotspezialität“ gekostet hat:
Das Original Lorscher Welschbrot
Doch auf Kaiser Karl – was in Lorsch nahe liegen würde – können sich die Lorscher bezüglich des Welschbrotes nicht berufen. Denn das Welschkorn -das Maiskorn- kam erst im 17. Jahrhundert in unsere Region. Schon jenseits der Stadtgrenzen – mit Ausnahme von Einhausen – ist das Welschbrot fast gänzlich unbekannt.
“Welsches” wie es in Lorsch heißt, ist für Nicht-Lorscher ein unbekannter Begriff, in unserer Stadt aber eine Spezialität. Das aus Welschkorn gewonnene Mehl ist allerdings zum Alleinverbrauch zu schwer und kann nur mit einer entsprechenden Mischung von Weizenmehl verwendet werden. Das aus dieser Mischung hergestellte Kuchenbrot hat sich als “Lorscher Gebäck” einen guten Namen gemacht. Während es früher in jedem Privathaushalt gebacken wurde, haben in den letzten Jahrzehnten die örtlichen Bäcker diese Tradition übernommen.
Wenn es herbstet beginnt in Lorsch die Welschbrotzeit. Dann duftet es in den Backstuben, aber auch noch in manchen Küchen, nach dem schmackhaften Maisbrot. Herbstzeit ist in Lorsch auch Kerbezeit, deshalb ist “Welsches” auch das Kerbebrot.
Die Lorscher Kerb wurde übrigens bis in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts im November gefeiert. Nicht zuletzt deshalb, weil zum Jahresende die Erntearbeiten, insbesondere auch der Tabakbauern beendet waren und nach erfolgreicher Ernte Geld in Taschen der Landwirte gelangte. Über den Tabakbau lässt sich auch eine Verbindung zum Welschbrot herstellen. Ende des 17. Jahrhunderts wird der Tabakanbau zum ersten Mal in Lorsch erwähnt. Wie der Tabak kam auch der Mais über die Spanier aus Amerika zu uns. Für das gemeinsame Auftreten von Tabak und Mais in der Region spricht ebenso ein Dokument aus dem Jahre 1718, in dem von Tabak und Welschkornzehnt die Rede ist.
Die Herkunft der Welschbrotrezeptur ist bis heute leider unerforscht. Es ist aber anzunehmen, dass durch die starken Bevölkerungszuwanderungen nach dem 30jährigen Krieg, insbesondere aus der Lombardei, Lothringen und dem Elsaß und dem gleichzeitigen Anbau des Welschkorns in der Region die Welschbrotrezeptur in Lorsch entstanden sein muss. Zumindest lässt der Name “Welsch” (die Fremden, Romanischen) diese Vermutung zu.
Diese kulinarische Besonderheit, hergestellt mit Welsch- bzw. Maismehl, Butter oder Schmalz-Zucker, ganzem Anis und Rosinen erlebt derzeit eine Renaissaince und erfreut sich auch bei jüngeren Lorschern sowie in der gesamten Region zunehmender Beliebtheit. Jedenfalls behält die Behauptung ihre Gültigkeit:
“Wem das Welsches schmeckt, ist auch ein echter Lorscher”.